
Es gibt sie noch, Hotels, in denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint - sie wollen nicht der Spielplatz irgendeines Interior Designers sein, sie wollen dem Restaurant nicht die Punkte eines Gourmetkoches aufdrängen – kurzum: Sie wollen den Gast zum König machen. Das heisst, es sind alle modernen Annehmlichkeiten vorhanden und somit scheint die Zeit nur stehen geblieben zu sein. Sie ist es aber nicht. Solche Hotels liebe ich. Und ein solches Hotel gibt es in Perugia: das Hotel Brufani Palace.


Wir erreichen das Brufani Palace an einem Sonntagabend mit dem Taxi. In einem Saal des Hotels findet eine Veranstaltung statt, die von Einheimischen besucht wird. Vor dem Hoteleingang rauchen einige Teilnehmer ihre Zigaretten. So entdeckt uns der Portier erst, als wir schon in der Empfangshalle stehen. Sofort eilt er hilfsbereit auf uns zu und übernimmt die Koffer.

An der Reception werden wir freundlich willkommen geheissen und gefragt, ob wir gut gereist sind. Wir haben das Arrangement online auf der Hotelhomepage gebucht. So entfallen die Angaben zur Person und wir müssen nur unsere Pässe zur Kontrolle abgeben und den Meldebogen unterschreiben. Wir erhalten noch informative Angaben zur näheren Umgebung und den Hinweis, dass wir jederzeit vom Concierge weitere Tipps und Vorschläge zur Stadt erhalten können.

Nun werden wir in unser Hotelzimmer begleitet, wobei wir unterwegs noch einen Blick in die Bar und das Restaurant werfen können. Einen Tisch fürs Restaurant haben wir bereits im Voraus mit Mail reserviert, was sehr freundlich bestätigt wurde. Unser Zimmer 222 liegt zwar auf der Rückseite des Hotels, aber wir haben trotzdem eine herrliche Aussicht über die Stadt bis zu den schneebedeckten Berggipfeln am Horizont. Unser gebuchtes Zimmer wurde als kleiner und in den Innenhof gelegen klassiert.

So hat man uns ein Zimmer höherer Kategorie zugeteilt. Der Grund wird wohl nicht nur in der Nebensaison liegen, sondern auch weil wir fünf Nächte bleiben. Beim Frühstück stellen wir fest, dass die meisten Gäste nur zweimal übernachten. Und unsere vorgängige Reservation im Restaurant wird wohl auch noch zur bevorzugten Behandlung beigetragen haben, da natürlich längst nicht alle Gäste dort essen. So sind wir sehr zufrieden!

Inzwischen kommt der Portier mit dem Gepäck, das er wunschgemäss auf die Kofferständer platziert. Er zeigt uns noch das Bad und das Bedienen der Klimaanlage, öffnet auf unseren Wunsch die Vorhänge. Ihm werden wir in den Gängen und Hallen des Hotels noch oft begegnen. Er grüsst uns immer sehr freundlich und mit einem Lächeln.


Das Zimmer ist in warmen Farbtönen gehalten, die dem roten Sofa zu einem knalligen Auftritt verhelfen. Die zwei Fenstertüren öffnen sich zu zwei kleinen Balkons mit Aussicht. Da die Altstadt fast autofrei und auf Hügeln gelegen ist, hören wir praktisch keinen Stadtlärm. Es lässt sich problemlos auch bei offenem Fenster schlafen. Die Zimmer sind gut isoliert. Wir hören kaum Nachbarn.

Die Minibar ist in einem Holzmöbel versteckt, auf dem der Fernseher steht. Wir erhalten die deutschen Sender ZDF und 3sat. Eine kleine Stereoanlage für das iPhone ist ebenfalls vorhanden. Das Bett ist sehr gross und hat zwei Matratzen, die eng aneinander liegen. Die Beleuchtung ist stimmungsvoll und auf Wunsch kann eine helle Halogen-Ständerlampe angezündet werden.

Gegen Abend kommt noch einmal das Zimmermädchen vorbei, um das Bett für die Nacht vorzubereiten, eine kleine Schokolade auf das Kissen zu platzieren und einen Informationszettel für das morgige Wetter hinzulegen. Das Zimmer bietet zwei Kofferständer. Der Schrank ist für viel Gepäck ein bisschen knapp proportioniert. Das Hotel bietet im Zimmer 24 Stunden-Service. Von einer kleinen Karte können rund um die Uhr auch warme Speisen bestellt werden.

Das grosse und helle Bad lässt keine Wünsche offen: zwei Lavabos, WC und Bidet, Badewanne mit Jacuzzi, separate Dusche, Bad-Heizkörper.


Das Frühstück wird in der Sala Maggiore aufgetischt, einem altehrwürdigen und grossen Saal. In ihm kann ein Bankett für bis zu 140 Personen ausgerichtet werden. Entsprechend viel Platz bietet der helle Saal für das Frühstücksbüffet (EUR 16.-). Wer es vorzieht, à la carte zu essen oder nur einen Kaffee zu trinken, kann dies natürlich auch. Ein frisch gepresster Orangensaft wird mit EUR 8.- verrechnet. Wir konzentrieren uns auf das reichhaltige Buffet. Verschiedene Brote, frische Ananas und Melonen gehören ebenso dazu wie Rührei, Käse, Kuchen und englische Konfitüre.


Nach Perugia reist man nicht, um Wellness zu betreiben, sondern um italienisch zu lernen oder auf den Spuren der Etrusker zu wandeln. Trotzdem bietet das Brufani Palace einen kleinen Wellness-Bereich, der sich in den Mauern der ehemaligen Festung Rocca Paolina befindet. Beim Ausbau des Swimming Pools stossen die Arbeiter auf etruskische Ruinen, die heute am Boden des Beckens hinter Glas entdeckt werden können. Sauna, Dampfbad und Whirlpool ergänzen das Angebot.

Dem Hotelgast ist es frei gestellt, wo er seinen Nachmittagstee trinken will. Wir lassen ihn in der Bar neben dem Restaurant servieren.

Für EUR 4.- erhalten wir einen Tee-Krug mit heissem Wasser und Teebeutel zur Auswahl. Dazu wird reichlich hausgemachtes Gebäck gereicht. Der einzige Wehrmutstropfen liegt darin, dass kein offener Tee in Blättern serviert wird.


Eigentlich verfügt das Hotel über zwei Bars. Aktiv betrieben wird aber nur die American Bar, die sowohl von der Hotelhalle wie auch direkt von der Piazza Italia aus betreten werden kann. In der Sommersaison wird auf der Piazza eine lauschige Garten-Lounge aufgestellt. Bei unserem Besuch in der Nebensaison vermissen wir ein bisschen einen Chef-Bartender. So werden unsere fünf Martinis von vier verschiedenen Angestellten gemixt.

Wie in Italien nicht anders zu erwarten, erhalten wir auch so fünf gute Martini-Cocktails. Da die Gin-Flaschen nicht kalt gestellt sind und das Eis offen von der Küche geholt werden muss, sind die Cocktails nicht eiskalt, aber dafür sehr trocken, wie wir es lieben. Als wir am zweiten Abend die Tanqueray-Flasche leer trinken, wird sie nicht mehr ersetzt. So konzentrieren wir uns an den nächsten drei Abenden auf die Beefeater-Falsche. An der Theke getrunken kosten die Martinis je nach Kellner EUR 5.- oder EUR 6.-, an einem Tisch sitzend immer EUR 8.-.

Die Cocktails werden mit reichlich Chips, Nüsschen, Pistazien und aromatischen Oliven serviert. Wir geniessen den Aperitif sowohl an der Bar wie auch vor dem brennenden Kamin beim Restaurant. Auf Wunsch kann er in der Bar neben dem Restaurant serviert werden. Allerdings wird der Drink in der American Bar beim Eingang gemixt. Schade, denn die Bar neben dem Restaurant ist viel gemütlicher. Hier dürfte auch eine Zigarre geraucht werden. Allerdings ist der Raum nicht als Fumoir gekennzeichnet und während unseres Aufenthalts hat hier niemand geraucht.


Wir essen an zwei Abenden im Hotel-Restaurant Collins. Der Name des Restaurants bezieht sich auf George Collins, den Neffen des Hotelgründers. Die Familie Collins leitete das Hotel über Jahre. Der Raum mit dem alten Parkett ist sehr grosszügig möbliert, die Tische weiss eingedeckt und bei unseren Besuchen brennt immer das Kaminfeuer.

Der zweite Kamin befindet sich im Bereich vor dem Restaurant, wo auch die Tageszeitungen aufliegen. Beide Kamine werden jeweils am Abend fachgerecht eingefeuert. Bei unserem Besuch am Sonntagabend teilen wir das Restaurant mit einem anderen Gast, an den anderen Abenden ist das Lokal gut besucht, bei unserem zweiten Besuch am Donnerstagabend sogar ausgebucht.

Die Speisekarte präsentiert sich übersichtlich. Angeboten werden Spezialitäten aus der Region. Eine Pasta wird täglich frisch von der Küche zubereitet. Unser erster Abend steht ganz im Zeichen der schwarzen Trüffel, die aus Umbrien stammt. Entsprechend grosszügig wird sie sowohl in unsere Vorspeise, einem pochierten Ei im Teigmantel als auch in den Hauptgang, frisch zubereitete Tajarin, beigemischt.

Die Weinkarte weist neben Champagner vorwiegend italienische Weine aus. Wir lassen uns einen umbrischen Wein aus der Umgebung empfehlen. Der liebliche Colli Perugini "L'Arringatore" von Goretti (EUR 25.-) begleitet unsere Speisen vortrefflich. Zum Abschluss kann ich einem warmen Apfelstrudel mit Vanillesauce nicht widerstehen. Mit dem Kaffee, der von hausgemachten Friandises begleitet wird, lassen wir den Abend vor dem Kaminfeuer ausklingen.

Bei unserem zweiten Abend im Restaurant Collins erhalten wir wie am ersten Abend zur Begrüssung ein Glas Prosecco. Wieder steht ein breites Angebot an Brot zur Auswahl, dazu offene Butter. Als Vorspeise wählen wir grilliertes Gemüse, das herrlich und natürlich mundet. So können es nur die Italiener zubereiten!

Als Hauptspeise können wir den frischen Tajarin nicht widerstehen. Dieses Mal werden sie von aromatischen Pilzen begleitet. Buonissimo! Aus der Weinkarte wählen wir eine Flasche Col di Sasso von Castello Banfi (EUR 22.-) aus der benachbarten Toscana. Ein ehrlicher Wein, der auch glasweise ausgeschenkt wird.

Das krönende Finale bildet ein warmes Schokoladen-Törtchen mit Vanillecrème und Orangeat. Zum Schluss sei noch erwähnt, dass im Sommer das Restaurant auf der aussichtsreichen Dachterrasse auftischt.


Giacomo Brufani (1831-1892) wächst in bescheidenen Verhältnissen in Assisi auf. Die vielen fremden Gäste im Pilgerort inspirieren bereits den Jugendlichen, sich in der Reisebranche zu betätigen. Die Zeit dazu ist günstig: Dank dem Ausbau der Verkehrswege können sich nicht mehr nur der Adel und reiche Bürger eine Reise leisten. Die Gran Tour zu den klassischen Städten wird mit einer neuen Reiseroute ergänzt. So pilgert der Gast nicht nur nach Florenz und Rom, sondern stattet auch Assisi und Perugia einen Besuch ab.


Am Anfang der beruflichen Laufbahn von Giacomo Brufani stehen die Pferde der Postkutschen, die er betreut. Schon bald darf sich Brufani als Reiseleiter betätigen und den Touristen die Sehenswürdigkeiten Umbriens zeigen und erklären. In dieser Zeit lernt er die besonderen Vorlieben und das weltmännische Auftreten der Gäste kennen. Und so lernt er wohl auch seine zukünftige Frau kennen. 1861 heiratet Brufani die Engländerin Elisabeth Platt. Seine erfolgreiche Tätigkeit in der Reisebranche lässt ihn vermutlich ein kleines Vermögen aufbauen, das noch mit Mitteln der englischen Familie seiner Frau abgesichert wird.

In Perugia, einem Nachbarort von Assisi, wird 1862 die alte Festung Rocca Paolina zerstört, um der Piazza Italia Platz zu machen. Die Festung stammt aus dem 16.Jahrhundert und wurde im Auftrag von Papst Paolo III. erbaut, um nach dem sogenannten Salzkrieg die selbstbewussten Bewohner von Perugia unter Kontrolle zu halten. Auf dem neuen Platz wird als erstes das Verwaltungsgebäude der Provinz Umbrien gebaut. Danach erstellt die Banca d’Italia vis-à-vis ihren Geschäftssitz.

Als 1880 das Grundstück neben der Bank zum Kauf angeboten wird, schlägt die Stunde von Giacomo Brufani. Er kauft das Grundstück am Rande der Piazza Italia mit der grandiosen Aussicht über die Stadt und die Landschaft bis hin zu den Bergen am weiten Horizont. Das stattliche Gebäude kann 1884 als Grand Hôtel Brufani eröffnet werden.


Brufanis bisherige Tätigkeit in der Reisebranche und seine familiären Beziehungen nach England verhelfen dem neuen Grand Hotel zu schnellem Erfolg. Nachdem Brufani 1892 stirbt, übernimmt sein Neffe George Collins die Leitung des Hauses. Bis 1986 bleibt das Brufani Palace im Besitz der Familie Collins.


1986 kauft die kleine italienische Hotelgruppe SINA das Brufani Palace und lässt es umfassend renovieren. Dabei wird auf die historische Substanz Rücksicht genommen. So strahlen die alten Räume in neuem Glanz. Beim Bau des unterirdischen Wellness-Bereiches stossen die Arbeiter sowohl auf Mauern der ehemaligen Festung wie auch auf etruskische Ruinen.


Der Gründer von SINA, Graf Ernesto Bocca aus Turin, war ehemals Besitzer einer Gerberei-Fabrik mit 2000 Angestellten. Er ist verheiratet mit Ida Visconti di Modrone, einer Cousine des Filmregisseurs Luchino Visconti. Seine Leidenschaft gilt luxuriösen Reisen. Als er einen erfahrenen Partner aus der Hotelbranche findet, verkauft er die Fabrik, um seinen Traum von eigenen Hotels Wirklichkeit werden zu lassen.

1959 kann er das herrschaftliche Anwesen der Familie Medici in Florenz erwerben. Nach sorgfältigen Umbau- und Renovationsarbeiten wird sein erstes Haus, das Grand Hotel Villa Medici, 1960 eröffnet. Es folgen Hotels in Rom, Mailand und Venedig. Nach dem Tod von Ernesto Bocca 1990 übernehmen seine Kinder Bernabò und Matilde die Leitung von SINA. Heute kann die Gruppe zehn Häuser ihr Eigen nennen.


Dank den verwandtschaftlichen Beziehungen zu England und dem grossen Interesse der Engländer an Italiens historischen Stätten zählt das Brufani Palace und die Stadt Perugia zu einem bevorzugten Reiseziel aus dem Vereinigten Königreich. So präsentiert das Hotel bei der Reception stolz die Fotos vom Besuch der Queen Mother, die 1992 hier residiert hat.

Restaurants: Restaurant Collins, American Bar; Zimmer: 94 Zimmer & Suiten; Adresse: Hotel Brufani Palace, Piazza Italia 12, 06100 Perugia / http://www.brufanipalace.com/
